1883, 1917, 2017 – Lutherjubiläen

Wenn sich Luthers Geburt oder seine Veröffentlichung der 95 Thesen zu einem weiteren Jahrhundert runden, erfährt die Auseinandersetzung mit dem Menschen und seinem Werk besondere Aufmerksamkeit. Im Zentrum der Aktivitäten steht dabei freilich nicht die Überlegung, der historischen Gestalt des Reformators und seiner Leistung Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Vielmehr positioniert sich die jeweilige Gegenwart im Spiegel ihres zeitverhafteten Lutherbildes. In den ihr gemäßen Aneignungsformen des Mythos Luther findet jede Zeit letztlich zu sich selbst. 1883 gedenkt man erstmals Luthers Geburtstag in größerem Rahmen an vielen Orten in Deutschland (Abb.14.1.). Mit der Betonung des protestantischen Charakters des Deutschen Reichs verbinden sich scharfe Kontroversen mit der katholischen Kirche. Als der Erste Weltkrieg 1917 in seine Entscheidungsphase eintritt, fokussiert man sich auf Luthers streitbare Seiten und erklärt „Ein feste Burg“ zum Kampflied der Soldaten, stilisiert Luther zum Mitkämpfer für die gerechte deutsche Sache (Abb. 14.2).

Am Beginn des 21. Jahrhunderts erweitert sich das Reformationsgedenken im Rahmen einer ganzen „Lutherdekade“ (Abb. 14.3.) zu einer Vielzahl von Aspekten. Der multiperspektivische Ansatz mündet in eine Bestandsaufnahme des reformatorischen Erbes, dessen bleibender Ertrag der Kirche in schwierigeren Zeiten Stärke und Orientierung geben soll. Überdies erhebt man den Anspruch, die Rückbesinnung auf Luther ökumenisch zu öffnen und der Selbstvergewisserung evangelischer Identität eine christliche Basiskultur zur Seite zu stellen. Trotz aller Bemühungen um politische Korrektheit bleibt Luther freilich eine unbequeme, sperrige Figur, die sich durch alle Jahrhunderte hindurch noch jedem Einhegungsversuch erfolgreich entzogen hat. Dass er das tut, erweist ihn als lebendig und gibt ihm eine bleibende Faszination.

Bildtexte

Abb. 14.1. Titelbild der Festordnung für die Feier des 400. Geburtstages Martin Luthers in Frankenthal 1883; H.B. Albrecht, Leipzig; Holzstich, 1883; Bibliothek des Zentralarchivs der Ev. Kirche der Pfalz, K 509

Abb. 14.2. Der Thesenanschlag zu Wittenberg 1517; Arthur Kampf (Aachen 1864 – Castrop-Rauxel 1950); Farblichtdruck nach dem Originalgemälde, um 1917; Zentralarchiv der Ev. Kirche der Pfalz Abt. 173 Nr. 983; (Ausschnitt aus einem Konfirmationsschein)

Abb. 14.3. Offizielles Logo der Lutherdekade und des Reformationsjubiläums 2017; Kommunikationsagentur M.A.D., Offenbach am Main, 2008; Kuratorium für das Reformationsjubiläum

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