19. Jahrhundert – Trutziger Nationalheld

Dem Wechselspiel der politischen Entwicklung folgend, stilisiert man Luther in Deutschland während des gesamten 19. Jahrhunderts zum Nationalhelden. In zahlreichen Lutherdenkmälern und in der Historienmalerei (Abb. 8.1.) bricht sich die nationalpolitische Umdeutung der Reformationsereignisse Bahn. Luthers Person und seine Lehre rücken immer weiter auseinander. Mühelos zieht die schöpferische Phantasie des Zeitalters Verbindungslinien zwischen Luther und Bismarck, Wittenberg 1517 und dem Sieg über Frankreich bei Sedan 1870. Anlässlich der Feierlichkeiten zum 400. Geburtstag des Reformators 1883 erreicht die nationalistische Vereinnahmung Luthers als des „ewigen Deutschen“ einen vorläufigen Höhepunkt.

Stilbildend für die trutzige Pose des Nationalhelden wirkt vor allem das Lutherdenkmal Ernst Rietschels in Worms. Mit Hilfe der Reproduktionsgraphik erreicht es breite Bevölkerungsschichten (Abb. 8.2.). Als Wandschmuck, als Motiv auf Tellern und Tassen oder als Zimmerdenkmal mit eingebauter Spieluhr steht Rietschels Entwurf vielen tagtäglich vor Augen.

Bildtexte

Abb. 8.1. Luther vor dem Reichstag in Worms; Anton von Werner (Frankfurt/Oder 1843 – Berlin 1915); Öl auf Leinwand (Replik des kriegszerstörten Wandbildes in der Kieler Gelehrtenschule von 1870), 1877; Staatsgalerie Stuttgart, Inv. 876 Wv. 1877-11

Abb. 8.2. Gedenkblatt zum 400-jährigen Geburtstag Luthers 1883; Anonym; Kupferstich (Titelblatt der Luther-Sondernummer der Leipziger „Illustrirten Zeitung“), 1883; Bibliothek des Zentralarchivs der Ev. Kirche der Pfalz, K 1030

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